No5 Jonathan, der kleine Pinguin

Jonathan war immer schon anders. Während seine Brüder und Schwestern übers Eis tanzten, um anschließend vor Freude juchzend und Pirouetten drehend ins Meer zu rutschen, prüfte er zuerst kritisch die Eisschicht auf deren Beschaffenheit. Erst wenn er mit seinem rechten Flügel alle bremsenden Eisklumpen weggewedelt hatte, ging er konzentriert zur Wasserkante. Mit einem prüfenden Blick checkte er stets ab, ob nicht irgendwo in den schwarzen unendlichen Tiefen unter ihm etwas Verdächtiges schwamm. Erst dann nahm er beherzt Anlauf und glitt auf seinen dicken Füßen, schnell wie auf Schlittschuhen, über die blanke Eisfläche und hechtete anschließend kopfüber zu den anderen.

An diesem Morgen hatte er wie gewohnt auf seinem kleinen Eisberg, dem höchsten Punkt der Scholle, die er mit seiner Kolonie bewohnte, gesessen, um den Sonnenaufgang zu beobachten. Doch statt die faszinierenden Reflexionen der tief stehenden Strahlen zu genießen, entdeckte er ein schwarzes Loch in der endlosen Spiegelfläche der Scholle. Kein Zweifel, das Eis war geschmolzen! Sofort holte er seine Brüder. Und die entdeckten weitere schwarze Löcher – keine Frage, der Eisberg, auf dem sie alle lebten, schmolz. Er war aber doch ihre einzige Lebensgrundlage. Ohne Eis, kein Überleben! Obwohl er versuchte, es seinen Eltern schonend beizubringen, was er und seine Geschwister entdeckt hatten, weinte seine Mutter bitterlich. Sie machte sich die allergrößten Sorgen um die Familie. Es gab nur eine Möglichkeit: Er musste die Menschen dazu bringen, das Klima erheblich besser zu schützen, damit nicht alle Eisberge schmelzen würden. Dazu wollte er herausfinden, wie die Menschen so lebten, um zu lernen, was man alles an ihrem Verhalten ändern musste. Und so machte sich der kleine Jonathan auf eine lange Reise zu den Menschen und blickte heimlich durch die Fenster in ihre Zimmer. Besonders im Winter, als die Tage kürzer und die Nächte länger wurden, spitzelte er in die hell erleuchteten Räume.

Jonathan zählte die vielen brennenden Glühlampen, die wertvollen Strom verbrauchten. Er führte Buch über die gekippten Fensterscheiben, aus denen die Wärme entwich. Auch versteckte er sich im Straßengraben neben den Zufahrtsstraßen, die in die Städte führten, und war erschrocken über die Länge der Staus. Kopfschüttelnd vermerkte er in sein Umweltbüchlein, dass in den meisten großen Autos zwar Platz für fünf Personen war, aber jeweils nur einer darin saß. Seine Liste wurde immer länger und länger. Seine Stimmung verdunkelte sich dabei weiter. Denn er hatte in dem Umweltbüchlein gelesen, dass die Schadstoffe, die bei der Erzeugung und beim Verbrauch von Energie entstanden, nicht einfach weg waren, sondern für die steigenden Temperaturen auf der Erde sorgten. „Der Schmutz legt sich wie eine Decke über die Wolken und lässt die durch die Sonne aufgeheizte Luft nicht ins Weltall“, hatte er sich gemerkt. Und je mehr Energie verbraucht wurde, umso stärker erwärmte sich also die Erde und umso schneller schmolz seine Lebensgrundlage, die Eisberge. Zurück bei seiner Familie auf dem bereits erheblich geschmolzenen Eisberg zog er resigniert Bilanz: „Wir müssen uns einen neuen Eisblock suchen“! Er griff sich seinen jüngeren Bruder Jeremias und sprang ins kühle Nass – ohne zu wissen, ob er jemals irgendwo ankommen würde. Tagelang schwammen die beiden durch das eiskalte Polarmeer. Zweimal lieferten sie sich eine wilde Hetzjagd mit ausgehungerten Eisbären, die offensichtlich ebenfalls ihre abgeschmolzene Eisscholle verlassen mussten. Das zehrte an den Kräften.

Am dritten Tag war endlich „Land (also Eisberg) in Sicht“. Mit letzter Kraft schleppten sich die beiden Pinguine auf das riesige Gebirge aus kristallklarem, gefrorenem Wasser. Erleichtert stellten sie anschließend fest, dass der Eisberg für die ganze Familie genug Platz bieten würde. Kurz darauf fielen Jonathan und Jeremias in einen tiefen Schlaf und erwachten erst wieder, als ihnen am Morgen danach die warmen Sonnenstrahlen auf den Pelz brannten. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit frisch gejagten Fischen, machten sie sich auf, ihre Familie abzuholen. Wieder ging es drei lange Tage und Nächte quer durchs Polarmeer. Umso überschwänglicher fiel der Empfang der beiden Brüder aus. Zu Tränen gerührt umarmten sie ihre Mutter und drückten sie so fest sie konnten an sich. Und trotz aller Freude – jetzt musste es schnell gehen! Vom einst großen Eisberg, den die Pinguin-Kolonie über Generationen bewohnt hatte, war nicht mehr als eine kleine Scholle übrig geblieben. Alle standen so eng zusammen, dass es von oben aussah, als hätte man einen dicken, schwarzen Teppich auf die Eisfläche gelegt.

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Am nächsten Morgen ging es los. Nacheinander hüpften alle Pinguine ins kühle Nass. Als Jonathan ein letztes Mal auf die kleine Eisscholle sah, stiegen ihm die Tränen in die Augen. Wie konnte nur der ganze Berg in so kurzer Zeit um so viel schmelzen? Und erst als er schon viele Kilometer geschwommen war, überwog die Erleichterung, dass sie schon bald eine neue Bleibe haben würden. So kam es auch. Der neue, große Eisberg befand sich noch an der gleichen Stelle wie vor vier Tagen, als sie von dort gestartet waren. Alle Pinguine feierten, zwar erschöpft, aber überglücklich, fast die ganze Nacht auf ihrem neuen Zuhause. Sie tanzten wild und sangen, was ihre kleinen Kehlen hergaben. Trotz des wenigen Schlafs war Jonathan bei Tagesanbruch als Erster aufgestanden und prüfte an verschiedenen Stellen, ob das Eis bereits dünner geworden war. Erleichtert atmete er auf: Gott sei Dank – der Eisberg war stabil! Fortan überprüfte er jeden Morgen die Eisdicke, denn es sollte für ihn und seine Lieben kein „böses Erwachen“ mehr geben. Damit Jonathan mit seiner Familie noch lange auf seinem Eisberg bleiben kann, müssen alle Menschen umweltbewusster leben. Jeder kann seinen Beitrag leisten. Niemand ist zu klein, um ein Energiesparer zu sein. Liebe Kinder, überlegt Euch mit Euren Eltern, wie auch Ihr den Verbrauch an Strom, Öl und Wasser reduzieren könnt! Damit helft Ihr nicht nur Jonathan, sondern der ganzen Welt.

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