No6 Romario und der Weihnachtsstern

Romario hatte weit ausgeholt, um mit dem Stock kraftvoll auf die bunte Pinata einzuhauen. Gleich bei seinem ersten Hieb zersprang das sternförmige Gebilde aus Pappmaschee und über den ganzen Fußboden verstreuten sich Orangen, Schokolade und Nüsse. Das Zerschlagen der gefüllten Pinata gehört in Mexiko traditionell zum Weihnachtsfest. „Dale, dale, dale, no pierdes el tino, porque si lo pierdes, pierdes el camino“ – „Schlag, schlag, schlag und verlier’ nicht das Ziel, denn wenn
Du es verlierst, kommst Du ab vom Weg“ singen die Kinder laut dabei.

Doch Romario hatte keine Kinder um sich herum, die mit ihm das Lied gemeinsam anstimmen und die Geschenke teilen würden. So sehr er sich auch immer Geschwister gewünscht hatte, war der 10-jährige Junge das einzige Kind seiner Eltern geblieben. Während er knisternd Schokolade auswickelte, hörte er seine Mutter sagen: „Romario, schau’ doch mal ganz genau hin, da liegt noch ein Schlüssel mit einem leuchtenden Stern als Anhänger!“ Und tatsächlich – den hatte er übersehen! Er konnte ja nicht ahnen, dass er heute noch ein bedeutend wichtigeres Geschenk erhalten würde. Meist gab es am Heiligen Abend nur Kleidungsstücke – für einen Jungen in Romarios Alter eine ziemlich unspannende Angelegenheit. Die eigentliche Bescherung mit Spielzeug erwartete die Kinder in Mexiko am „Dia de los Reyes“, am 6. Januar. Romario fragte also aufgeregt seinen Vater, wofür denn der Schlüssel passen könnte. Doch der winkte ab: „Da musst Du schon selbst suchen, Romario.“ Er sprang auf und probierte vergeblich die Türschlösser im Haus – bis er schließlich zu seinem eigenen Zimmer kam. Tatsächlich, der Schlüssel passte! Romario öffnete gespannt die Tür. Was er sah, ließ ihn vor Verwunderung erstarren.

Der Boden stand voll mit prachtvollen, tiefrot blühenden Weihnachtssternen – den ursprünglich aus Mexiko stammenden Topfpflanzen! Sein Blick wanderte über sein Zimmer und blieb an seinem Bett hängen. Dort lag Kleidung – doch nicht so wie jedes Jahr, denn sie war ganz klein! Die würde ihm nie passen! Und plötzlich schoss es ihm durch den Kopf: „Ich bekomme ein Geschwisterchen“, rief er jubelnd. Seine Eltern standen bereits hinter ihm, als sich Romario mit glänzenden Augen umdrehte und sie ihn in die Arme schlossen. Romarios sehnlichster Wunsch würde nun in Erfüllung gehen. Es war das schönste Geschenk, das er sich vorstellen konnte. Dieses Erlebnis ließ Romario bis heute nicht los: Immer an Weihnachten brachte er seiner Frau – mittlerweile war er bereits Vater geworden – einen roten Weihnachtsstern mit nach Hause. Wer weiß, vielleicht würde er ja wieder eine Überraschung in sein Leben bringen. Am dritten Tag war endlich „Land (also Eisberg) in Sicht“. Mit letzter Kraft schleppten sich die beiden Pinguine auf das riesige Gebirge aus kristallklarem, gefrorenem Wasser. Erleichtert stellten sie anschließend fest, dass der Eisberg für die ganze Familie genug Platz bieten würde. Kurz darauf fielen Jonathan und Jeremias in einen tiefen Schlaf und erwachten erst wieder, als ihnen am Morgen danach die warmen Sonnenstrahlen auf den Pelz brannten. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit frisch gejagten Fischen, machten sie sich auf, ihre Familie abzuholen.

Wieder ging es drei lange Tage und Nächte quer durchs Polarmeer. Umso überschwänglicher fiel der Empfang der beiden Brüder aus. Zu Tränen gerührt umarmten sie ihre Mutter und drückten sie so fest sie konnten an sich. Und trotz aller Freude – jetzt musste es schnell gehen! Vom einst großen Eisberg, den die Pinguin-Kolonie über Generationen bewohnt hatte, war nicht mehr als eine kleine Scholle übrig geblieben. Alle standen so eng zusammen, dass es von oben aussah, als hätte man einen dicken, schwarzen Teppich auf die Eisfläche gelegt.

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